Führung in Zeiten der digitalen Transformation bedarf eines neuen Ansatzes. Erfahre, wie mein Konzept der ego-sozialen Führung eine Perspektiverweiterung der situativen Führung vornimmt und damit den Dialog von Führungskraft und Mitarbeiter in den Fokus rückt.
Führung – eine Frage des Stils
Die Frage des Stils bewegt Führungskräfte seit jeher. Ist man früher davon ausgegangen, dass im wesentlichen Abstufungen zwischen autoritären und demokratischen Führungsstilen, zwischen mitarbeiter- oder aufgabenzentriertem Führungsstil bzw. zwischen eigenschafts- und verhaltensbezogenen Führungstheorien unterschieden werden können, setzt sich inzwischen neben einer Reihe sogenannter moderner Führungsstile zunehmend die Theorie der situativen Führung durch.
Hierbei ist die Kernthese, dass der Führungserfolg auch von den Rahmenbedingungen abhängig ist, in denen sich der Vorgesetzte und sein Mitarbeiter jeweils befinden. Beim situativer Führungsstil passt sich das Verhalten der Führungskraft an verschiedene Mitarbeiter an, um sie entsprechend ihrer persönlichen Situation, der jeweiligen Aufgabe und des sogenannten Reifegrades des Mitarbeiters zu fördern und zu fordern.
Die Flexibilität, die sich daraus ergibt, ist der große Vorteil des situativen Führungsstils. Die Vorteile und Schwächen verschiedener, anderer Führungstheorien werden situationsorientiert kombiniert. Dieser Ansatz folgt demnach der Erkenntnis, dass es nicht den einen, perfekten Führungsstil gibt.
Trotz deutlicher Kritik in Bezug auf die Validierung der Theorie der situativen Führung leiten viele Coaches und Trainer, u.a. Handwerksmensch Maren Ulbrich, aus dem situativen Führungsstil vier Strategien und Empfehlungen ab, die wie Stufen aufgebaut sind und eine Beziehung zwischen Reifegrad des Mitarbeiters und Führungsverhalten des Vorgesetzten herstellen:
- geringer Reifegrad des Mitarbeiters: Führungskraft dirigiert
- mittlerer Reifegrad des Mitarbeiters: Führungskraft überzeugt
- höherer Reifegrad des Mitarbeiters: Führungskraft lässt teilhaben
- sehr hoher Reifegrad des Mitarbeiters: Führungskraft delegiert
Führung – Erfolgsfaktor oder Machtmissbrauch
Dr. Florian Becker von der Wirtschaftspsychologische Gesellschaft definiert in seinem Fachtext Führung wie folgt:
Diese Definition und der situative Führungsstil übertragen allerdings die gesamte Verantwortung für gelingende Führung ausschließlich auf die Führungskraft.
Dies wird im Ansatz der transformationalen Führung noch verstärkt. Diese setzt nämlich auf die Transformation der Geführten zu begeisterten Anhängern durch die Führungskraft.
Für Führungskräfte bringt dieser starke Glaube an die Bedeutung der Führungskraft und die gerade im deutschsprachigen Raum weit verbreitete Skepsis gegen die von den Führungspersonen ausgeübte Macht deutliche Konsequenzen: Einerseits sollten Führungskräfte Erfolge eher demütig dem Team zuschreiben, andererseits werden Sie häufig zur Rechenschaft gezogen, wenn Ergebnisse schlecht sind – selbst wenn sie daran selbst wenig Schuld treffen sollte.
In meinem Blog zu Führungs- und Gefolgschaftskompetenz nutze ich zur Verdeutlichung dieser Situation das Beispiele des Fußballtrainers.
Dabei ist es für meine weiteren Überlegungen eher von untergeordneter Bedeutung, dass formeller Führungsanspruch und informelle Führungstätigkeit sicherlich auseinanderfallen können.
Bei näherer Betrachtung stärkt dieser Aspekt, das die organisatorische Führungsverantwortlichkeit und die tatsächliche Führungstätigkeit nicht in einer Person zusammenfallen, meinen Ansatz sogar noch. Denn gerade dann wird auffällig, dass Führung stets eine kommunikativer, dialogischer Prozess ist.
Dennoch ist die oben beschriebene Ambivalenz von Bedeutung der Führung – einerseits – und Skepsis gegenüber der Führungsperson -andererseits – der ursprüngliche Ausgangspunk meines Konzeptes ego-sozialer Führung.
Situative Führung allein bringt keinen Erfolg
Grundsätzlich lässt sich auch meinen Konzept der ego-sozialen Führung dem situativen Führungsstil zuordnen. Auch Ansätze der transformationalen Führung spielen mit hinein.
Allerdings nehme ich eine entscheidende Perspektiverweiterung vor, in dem ich herausstelle, dass sich nicht nur das Verhalten der Führungskraft, sondern auch das Verhalten des Mitarbeiters situationsgerecht anpassen muss, um gemeinsam erfolgreich sein zu können..
Ähnlich wie in meinen Blog-Artikel zur Frage „Woran Führungskräfte scheitern!“ stelle ich mit diesem Ansatz heraus, dass Führung nicht nur eine Aufgabe der Führungskraft sondern ebenso eine Verpflichtung der Mitarbeiter ist. Führung wird zum Dialog.
Insofern betont mein Ansatz, das zeitstabile, aber situationsbezogene Verhalten der Führungskraft und der Mitarbeiter in Bezug auf
- die Strukturierung der Arbeitsabläufe (Ziele, Zeitpläne, Abläufen, Verantwortungszuteilung und -übernahme, Delegationsumfang),
- die Orientierung am Wohlergehen des Gegenüber (Kommunikationsstil, Beziehungsorientierung, Arbeitsklima, Umgang mit Konflikten, Gestaltung des soziales Umfeld)
- die Art und Weise der Entscheidungsfindung (Geschwindigkeit, Transparenz, Akzeptanz, Einbeziehung der Mitarbeiter, Austausch mit Vorgesetzten)
- die Stärkung der jeweiligen Handlungsfähigkeit (Personalentwicklung, Weiterbildungsbereitschaft, Feedbackkultur, Motivation, Selbständigkeit, Führungs- und Gefolgschaftskompetenz)
- die Umsetzung von Teamorientierung (Kommunikation, Kooperation, Leistungsnormen und Zusammenhalt)
- die Veränderungsbereitschaft (Offenheit, Einbeziehung der Mitarbeiter, Austausch mit Vorgesetzten, Fehlerkultur)
Um Missverständnissen vorzubeugen: Auch nach meiner Ansicht weiterhin unterscheiden sich die Aufgabe der Führungskraft und des Mitarbeiters deutlich. Die sich aus der Führungsbereitschaft, -fähigkeit und -zuständigkeit ergebenden Aufgaben bleiben bei der Führungskraft. Gleichermaßen müssen Mitarbeiter die sich aus der Gefolgschaftsbereitschaft, – fähigkeit und -Zuständigkeit ergebenden Aufgaben übernehmen. Nur gemeinsam kann Führung gelingen.
Die Idee und das Ziel ego-sozialer Führung
Die Beurteilung des Gelingens von Führung erfolgt dabei zunächst subjektiv auf Basis der im Sinne eines Grundwerturteils festgelegten Maßstäben.
Demnach verfolge ich mit dem Konzept der ego-sozialen Führung das Ziel, Entwicklungen in den oben genannten Feldern zu unterstützen, die zur Ganzheitlichkeit des Menschen sowie zum Auf- und Ausbau seiner kognitiven, affektiven, psychomotorischen und sozial-kommunikativen Fähigkeiten führen. Von besonderer Bedeutung zur Beurteilung der Gelingen sind die Wirkungen der Entwicklungen im Hinblick und auf die Einheit von Eigen- und Sozialverantwortung des Handelns. Das heißt:
Auch die ego-soziale Führung ist somit möglichst auf ein übergeordnetes Ziel gerichtet, einen gemeinsamen Zweck. Im Falle von Mitarbeiterführung sollte dies regelmäßig der Unternehmenszweck sein. Idealerweise das Warum hinter dem Unternehmen.
Fazit
Die Grundlage gelingender Führung ist stets das gemeinsame Ziel. Um dies zu erreichen müssen Führungskraft und Mitarbeiter sich situationsgerecht austauschen, verhalten und entwickeln. Nur wenn dabei eigenen Bedürfnisse und die berechtigten Ansprüche des Gegenübers von beiden Seiten im Auge behalten werden, wenn also ego-sozial geführt und gefolgt wird, kann der Führungsprozess effizient umgesetzt werden.
Quellen
Wirtschaftspsychologische Gesellschaft: Führung von Mitarbeitern (https://wpgs.de/fachtexte/fuehrung-von-mitarbeitern/)
Handwerksmensch, Maren Ulbrich: So schätzt Du die Kompetenz Deiner Mitarbeiter richtig ein (https://blog.handwerksmensch.de/2019/11/01/so-schaetzt-du-die-kompetenz-deiner-mitarbeiter-richtig-ein/)
Wikipedia: Situatives Führen (https://de.wikipedia.org/wiki/Situatives_Führen)
Nils Warkentin: Situativer Führungsstil: Definition, Vorteile, Kritik (https://karrierebibel.de/situativer-fuehrungsstil/)
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