In den letzten Wochen haben Vertreter des Vorstand und der Geschäftsführung der Kreishandwerkerschaft Cloppenburg verschiedene Gespräche mir Politikern geführt. und damit wohl klassische Lobbyarbeit geleistet.

Was ist Lobbyarbeit überhaupt?

Lobbyismus, Lobbying oder Lobbyarbeit ist eine aus dem Englischen (lobbying) übernommene Bezeichnung für eine Form der Interessenvertretung in Politik und Gesellschaft, bei der Interessengruppen („Lobbys“) vor allem durch die Pflege persönlicher Verbindungen die Exekutive, die Legislative und andere offizielle Stellen zu beeinflussen versuchen. Außerdem wirkt Lobbying auf die öffentliche Meinung durch Öffentlichkeitsarbeit ein.

Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Lobbyismus)

Auch wenn diese Arbeit in Deutschland oftmals einen negativen Beigeschmack hat, ist die Interessenvertretung für die Innungen und Kreishandwerkerschaft sogar als gesetzliche und satzungsgemäße Aufgabe vorgesehen (§ 54 HwO).

Die Wirtschaftsverbände des Handwerks sollen dementsprechend dafür sorgen, dass die Sichtweise der familiengeführten, klein- und mittelständischen Handwerksunternehmen in den politischen und gesellschaftlichen Prozessen angemessen berücksichtigt werden. Die Lobby des Handwerks soll als Experte die Entscheidungsträger und Multiplikatoren in Politik und Gesellschaft beraten und unterstützen.

Insofern unterscheidet sich Lobbyarbeit auch deutlich von den häufig synonym benutzen Begriffen wie Bestechung, Korruption oder unrechtmäßiger Beeinflussung.

5 zentrale Tipps für erfolgreiche Lobbyarbeit

Gerade angesichts der negativen Grundhaltung in Deutschland gegenüber der Interessenvertretung durch Wirtschaftsverbände sollten Innungen und Kreishandwerkerschaften dann aber auch darauf achten, dass die Lobbyarbeit erfolgreich gestaltet wird.

Hierfür gibt es nach meiner Erfahrung 5 zentrale Tipps, die Führungskräfte von Wirtschaftsverbänden auf kommunaler, Landes-, Bundes- und EU-Ebene für erfolgreiche Lobbyarbeit beachten sollten:

  1. Vertrauen verdienen
  2. Netzwerke pflegen
  3. Strategie entwickeln, klare Ziele setzen
  4. Themen ganzheitliche betrachten, Gegenpositionen verstehen
  5. Anliegen und Erfolge intensiv kommunizieren

Auf diese fünf Tipps für erfolgreiche Lobbyarbeit werden ich im Folgenden näher eingehen

1. Vertrauen verdienen 

Grundvoraussetzung für erfolgreiche Lobbyarbeit ist gegenseitiges Vertrauen. Sowohl der Lobbyist als auch der Entscheidungsträger müssen sich dem Gegenüber öffnen, um Dinge an- und aussprechen zu können, die die jeweilige Interessenslage im tiefen Inneren bewegt.

Diese Offenheit kann aber nur erreicht werden, wenn gegenseitiges Vertrauen u. a. darin besteht,

  • dass Informationen nicht vorschnell weitergegeben werden,
  • dass sachliche Kritik nicht persönlich genommen wird oder
  • interpretationsfähige Äußerungen immer zu Ungunsten des anderen ausgelegt werden.

Wie ich in meinem Blog-Artikel „Mehr Kooperation wagen!“ beschriebe, ist Zusammenarbeit ohne Vertrauen nicht möglich.

Erfolgreiche Lobbyarbeit ist also in erster Linie Vertrauensarbeit.

Dr. Michael Hoffschroer

Um Vertrauen zu erzeugen kann es sehr hilfreich sein, Transparenz über Ziele und Aktivitäten zu schaffen. Je einfacher ich es meinem Gegenüber mache meine Absichten zu erkennen, desto eher ermögliche ich ihm, mir zu vertrauen.

Gleichzeitig muss ich dem Adressaten meiner Lobbyarbeit Zeit geben, sich eine eigene Meinung zu bilden. Hat der Entscheidungsträger das Gefühl, überrumpelt zu werden, schwinden die Chancen, dass er meine Argumente aufnimmt und ggf. sogar übernimmt.

Lobbyarbeit ist umso erfolgreicher, je mehr der Entscheidungsträger die Argumente und Positionen des Lobbyisten zu seinen eigenen macht. Um dass zu erreichen, muss er aber auch nach einer kritischen Auseinandersetzung mit den Aussagen des Interessenvertreters noch davon überzeugt sein, dass dieser gute ggf. so beste Argumente und Positionen vorgebracht hat.

Lobbyisten, die sich derart das Vertrauen der Entscheidungsträger verdient haben, können dann auch sehr selbstbewusst mit Kritik an ihrer Arbeit, z. B. von LobbyControl, umgehen.

Es gilt aber auch, diese Kritik ernst zu nehmen, insbesondere wenn man neben dem Vertrauen der Entscheidungsträger auch das Vertrauen der breiten Öffentlichkeit erhalten will.

2. Netzwerke pflegen

Wenn ich gegenseitiges Vertrauen erreicht habe, gilt es, dies dauerhaft zu festigen. Die Beziehungen müssen gepflegt werden. Denn gerade in der Lobbyarbeit gilt die alte Volksweisheit: Beziehungen schaden nur dem, der Sie nicht hat.

Wenn man diesen Satz aber ernstnimmt, dann kann es bei der Interessenvertretung nicht nur darum gehen, einen einzelnen Kontakt aufzubauen und zu pflegen. Vielmehr muss der erfolgreiche Lobbyist eine Vielzahl unterschiedlicher Personen miteinander vernetzen und selber als zentraler Knoten in diesem Netzwerk agieren.

Erfolgreiche Lobbyarbeit ist im wesentlichen Netzwerkarbeit.

Dr. Michael Hoffschroer

In einem solchen Netzwerk sind unterschiedliche
Persönlichkeiten, Interessenslagen, Zuständigkeiten und Kommunikationswege miteinander verwoben. Diese führt zum einen dazu, dass ein Ausgleich zwischen den Netzwerkknoten und damit ein Interessenausgleich zwischen extremen Polen erfolgen kann. Und zum anderen verhindert die Netzwerkstruktur im Idealfall, dass Lobbyarbeit in einer Sackgasse endet, denn „viele Wege führen nach Rom“.

Wichtig ist aber auch, dass derjenige der die Interessen einer bestimmten Gruppe vertritt, die Netzwerkbeziehungen nicht (über-)strapaziert. Lobbyisten, die wegen jeder Kleinigkeit gleich zum Telefonhörer greife und den Entscheidungsträger zu jeder passenden oder unpassenden Uhrzeit , bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit behelligen, werden nicht erfolgreich sein. Vielmehr geht es bei erfolgreicher Interessenvertretung darum, gezielt Kontakt aufzunehmen. Gleichwohl zeichnet den erfolgreichen Lobbyisten auch ein gerüttelt Maß an Beharrlichkeit aus.

Jeder erfolgreiche Lobbyist hat seien Weg gefunden, ein vertrauensvolles, beständiges und langfristiges Kontaktmanagement zu betreiben.

Dazu zählt neben einer guten Beschreibung der entsprechenden Prozesse vor allem auch ein (digitales) Werkzeug zu deren Unterstützung. Dabei geht es um den gesamten Prozess von der Kontaktanbahnung, über das Adressmanagement und die Kontakthalte bis zur Evaluation der Beziehungen.

Bei der Kreishandwerkerschaft Cloppenburg nutzen wir hierzu im wesentlichen die Office-Programme von Microsoft* und ein spezielles Programm für die Verwaltung von Innungen und Kreishandwerkerschaften der KCS GmbH aus Stutensee.

Insbesondere bei dem zweiten Programm stehen wir aktuell vor der Herausforderung, dies auf die aktuellen Anforderungen, z. B. hinsichtlich mobilen Zugriffs, Nutzerfreundlichkeit und Skalierbarkeit, anzupassen.

3. Strategie entwickeln, klare Ziele setzen

Um sowohl die Prozesse als auch die Werkzeuge effizient einsetzen zu können, ist es für Interessensvertreter wichtig Strategien und konkrete Ziele zu entwickeln. Denn auch bei der Lobbyarbeit gilt:

Wer nicht weiß, wohin er will, darf sich nicht wundern, wenn er woanders ankommt!

Mark Twain

Insbesondere in den Handwerksorganisationen – mit ihrer starken Vernetzung von Ehren- und Hauptamt – ist die Abstimmung von Strategien und Zielen von besonderer Bedeutung. Denn um erfolgreiche Lobbyarbeit zu machen, müssen alle an einem Strang ziehen – und am besten in die gleiche Richtung.

Denn Prozess der Strategie- und Zielentwicklung in der Lobbyarbeit beschreibt die von Karsten Wetzlaff initiierten Internetseite LobbyWiki sehr passend in folgenden Schritten:

  • Analyse der Ausgagssituation
  • Zielmanagement (Definition, Zeitrahmen, Messbarkeit)
  • Analyse der Auswirkungen und der Akteure
  • Spezialisierung
  • Zeit- und Maßnahmenplan
  • Informationskontrolle
  • Pressearbeit
  • Partnerbearbeitung
  • Kampagnisierung
  • Umsetzung der Lobbyziele
  • Follow-Up-Phase

Dabei ist die Interessenvertretung ein fortlaufender und sich in Schleifen fortsetzender Prozess.

Erfolgreiche Lobbyarbeit muss Strategiearbeit sein.

Dr. Michael Hoffschroer

Das Ergebnis der Strategie- und Zielentwicklung sollten Formulierungsvorschläge zur Konkretisierung und Umsetzung der politischen Vorgaben – selbstverständlich in erster Linie mit Blick auf die Interessen der eigenen Zielgruppe – sein.

4. Themen ganzheitliche betrachten, Gegenpositionen verstehen

Gerade weil die Lobbyarbeit ihre Ziele im wesentlichen auf die eigenen Interessen ausrichtet, muss der Lobbyist im Blick behalten, dass er stets im Wettbewerb von Partikularinteressen agiert.

Ziele der unterschiedlichen Interessengruppen können sich dabei nicht nur widersprechen, ergänzen oder neutral zueinander verhalten. Denn der Wettbewerb der Partikularinteressen folgt nicht einer zweiwertigen (richtig oder falsch; gut oder böse) sondern einer mehrwertigen Logik (ganz richtig, fast richtig, nicht ganz falsch, völlig falsch).

Um vor diesem Hintergrund erfolgreiche Lobbyarbeit machen zu können, muss der Lobbyist die wesentlichen Positionen und Argumente seiner Wettbewerber kennen. Nur so kann er entweder erfolgreiche Allianzen schmieden, vermeintliche Widersprüche auflösen oder Konflikte zu eigenen Gunsten bestehen.

Dabei zeigt meine Erfahrung, entgegen der weitgehenden öffentlichen Meinung, dass sich bei der Interessenvertretung die besseren Argumente langfristig durchsetzen. Insbesondere, wenn es auch entsprechend gut vorgebracht wird.

Lobbyarbeit ist konstruktive Argumentationsarbeit

Dr. Michael Hoffschroer

Mit Blick auf die aktuelle Entwicklung und Diskussion um Einflussnahme durch FakeNews, SocialBots oder kriminelle Organisationen erlaube ich mir dennoch den Hinweis, dass gute Interessenvertreter sich sicherlich dadurch auszeichnen, dass Sie die rechtlichen und moralischen Grenzen der Lobbyarbeit beachten und strikt wahren.

Gleichwohl wird der erfolgreiche Lobbyist alles daran setzen, die Relevanz des eigenen Anliegens und der eigenen Argumente durch eine breite Unterstützung zu erhöhen.

Zu vermeiden ist dabei den Entscheidungsträger zum Schiedsrichtern zwischen den Partikularinteressen zu degradieren, sondern ihm durch die Aufbereitung der Argumente im Wettbewerb mit anderen Interessensvertretern eine eigenständige Entscheidung zu ermöglichen.

5. Anliegen und Erfolge intensiv kommunizieren

Für den erfolgreichen Lobbyisten gilt selbstverständlich die Weisheit:

Tue Gutes und Rede drüber

Walter Fisch

Allerdings würde ich diesem Zitat einen zweiten Satzteil nachstellen:
Tue Gutes und Rede drüber- aber nicht immer.

Die Grenzen der Kommunikation und Transparenz ergeben sich insbesondere aus dem oben genannten Erfolgsfaktor „Vertrauen verdienen“.

Darüber hinaus muss sich der erfolgreiche Lobbyist Gedanken machen, wie die Kommunikation sowohl in Richtung Entscheidungsträger als auch in Richtung der eigenen Interessensgruppe, gestaltet werden sollte.

Erfolgreiche Lobbyarbeit ist also immer auch Kommunikationsarbeit.

Dr. Michael Hoffschroer

Gegenüber den Entscheidungsträgern gilt es die Kommunikation so zu gestalten, dass

  1. diese ein Problembewusstsein entwickeln und die Interessenvertretung wahrnehmen,
  2. diese tragfähige Argumentationsbausteine für die aktuelle politische Debatte erhalten,
  3. das Thema möglichst zu einem persönliches Anliegen des einzelnen Entscheidungsträgers wird.

Gegenüber den eigenen Mitgliedern gilt es hingegen die Kommunikation so zu gestalten, dass

  1. kleine und große Erfolge wahrgenommen werden
  2. Verständnis für Kompromisslösungen langfristig trägt
  3. Probleme und Forderungen der Basis frühzeitig formuliert werden können

Welche Erfolge haben wir durch Lobbyarbeit erzielt?

Erfolg von Lobbyarbeit zeigt sich leider viel zu häufig in der Verhindeurng von Schlimmerem. Was wiederum auch ein Zeichen dafür ist, dass Politik tatsächlich an einem Ausgleich der Interessen interessiert ist. Und das Gleichgewicht der Interessenvertretung in sehr vielen Fällen auch heute noch funktioniert.

Exemplarisch werde ich hier drei Beispiele erfolgreicher Lobbyarbeit der Kreishandwerkerschaft Cloppenburg darstellen:

  1. Einführung der Förderung des Bildungszentrums Handwerk durch den Landkreis
  2. Sicherung stabiler Ausbildungszahlen im Handwerks des Landkreis Cloppenburg
  3. Wahrnehmung der politischen Interessen durch Einladung zu Diskussions- und Vortragsveranstaltungen („Reden wir drüber…“)

Die Einführung der Förderung des Bildungszentrums Handwerk durch den Landkreis Cloppenburg wurde vom Kreistag im Januar 2019 beschlossen. In einem Grundsatzbeschluss legte der Kreistags fest, dass zukünftig unter bestimmten Voraussetzungen Investitionen in die handwerkliche Berufsbildungsinfrastruktur mit bis zu 20 Prozent der förderfähigen Kosten vom Landkreis Cloppenburg unterstützt werden können.

Vorausgegangen war über ein Jahr intensiver Gespräche zwischen den Vertretern der Kreishandwerkerschaft, der Landkreisverwaltung und den Kreistagsfraktionen.

Auf Basis eines umfangreichen Konzeptpapieres, der objektiven Gegenüberstellung ähnlicher Projekte zur Förderung der außerschulischen Berufsbildungsinfrastruktur und akademischer Bildungsinstitute sowie dem Austausch von Argumenten in einer Vielzahl von persönlichen Gesprächen ist dieser Erfolg gelungen.

Die Sicherung stabiler Ausbildungszahlen im Handwerk des Landkreises Cloppenburg ist ein zweiter großer Lobbyerfolg. Diesmal richtete sich die Interessensvertretung jedoch weniger an politische Entscheidungsträger sondern an Ausbildungssuchende und Ausbildungsbetriebe.

Durch eine klare strategische Fokussierung der Kreishandwerkerschaft auf die Unterstützung der Betriebe bei ihrer Fachkräftesicherung wurden viele Ressourcen (personell, sachliche und finanziell) in das Berufsmarketing investiert.

Die Netzwerkarbeit mit Schulen, Arbeitsverwaltung, Bildungsträgern, Städten und Gemeinden, Berufsberatungsinstitutionen und Elternvertretern hat erreicht, dass eine so attraktive Sicht auf eine handwerkliche Ausbildung erfolgt, dass zumindest eine stabile Zahl von rund 600 Jugendlichen im Jahr eine handwerkliche Lehre in unserem Landkreis beginnen.

Zwar sind auch hier im Landkreis die Ausbildungszahlen nicht mehr vergleichbar mit denen vergangener Jahrzehnte, aber die bundesweit negative Entwicklung der 2010er Jahre hat so in unserem Landkreis nicht statt gefunden.

Erfolgsfaktoren waren hier vor allem die klare strategische Fokussierung, die Mobilisierung der Netzwerkpartner, die Bündelung von Interessen sowie die Gewinnung von Förderprojekten.


Quellen:

https://lobbyismus.karsten-wenzlaff.de/index.php/Lobby-Kampagnen

https://agentur-adverb.de/verbandstratege/seitenblicke-lobbying-2/

https://www.wiwi.uni-siegen.de/welter/research/lobbyarbeit_macht_der_lobbyisten.pdf

https://www.openyourwindow.de/2018/03/21/neue-bundesregierung-3-tipps-zur-erfolgreichen-lobbyarbeit/

https://www.qualitaet-vor-ort.org/wp-content/uploads/2016/10/Handout_Busch_Janser.pdf

https://www.lobbycontrol.de/

https://lobbypedia.de/

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