Erfahre warum ich mich mit einem Instrument zur Strukturierung von Mitarbeitergesprächen auseinandergesetzt habe, obwohl ich weiterhin davon überzeugt bin, dass jährliche Mitarbeitergespräche oftmals Zeitverschwendung sind.
Warum jährliche Mitarbeitergespräche Zeitverschwendung sind
Im Januar 2019 habe ich einen sehr erfolgreichen Blogartikel veröffentlicht, in dem ich die Frage beantwortet habe, warum jährliche Mitarbeitergespräche Zeitverschwendung sind.
Im Kern ging es bei meiner Kritik an diesem Führungsinstrument dabei um folgende Punkte:
- beide Seiten empfinden aufgezwungene Gespräche als unangenehm
- die Gespräche bieten kein Feedback auf Augenhöhe, sondern sind asymmetrische Beurteilungsgespräche
- es fehlt bei vielen Beteiligten an Gesprächskompetenz
- isolierte Gespräche erzielen keine nachhaltige Wirkung
Gleichzeitig habe ich in dem Blogbeitrag Gelingensfaktoren für Personalgespräche beschrieben, die sich im Wesentlichen auf die zwei folgenden Aspekte herunterbrechen lassen:
- Austauschkultur statt Gesprächszwang
- Feedbackkultur statt Jahresgespräche
Vor diesem Hintergrund ist es selbstverständlich besonders spannend, wenn andere Mitglieder der Handwerks-Community sich zu dem Thema äußern.
So führst Du richtig gute Mitarbeitergespräche
… lautet dann vor Kurzem der Titel einer Folge des Workerscast von Jörg Mosler. Das hat mich neugierig gemacht und ich habe mich mit dem Podcast und dem dort vorgestellten Projekt MotivSORT etwas näher befasst, u.a. nehme ich im Juni 2020 an einem kostenfreien Webinar zu dem Thema teil.
MotivSORT – ein Instrument für das Handwerk
In dem Projekt MotivSORT wurde ein gleichnamiges Instrument nach Angaben der Uni Trier in den Jahren 2017 und 2018 in einem mehrstufigen Prozess durch die Universität Trier in Kooperation mit der Handwerkskammer Trier entwickelt.
MotivSORT ist ein einfaches Instrument für Führungskräfte, um Mitarbeitergespräche zu strukturieren und durchzuführen. Es gibt insbesondere kleineren Handwerksbetrieben die Möglichkeit, in Gesprächen mit dem Personal herauszufinden, welche Faktoren für die Mitarbeiterzufriedenheit entscheidend sind und woran gearbeitet werden muss.
Ellwart, Thomas; Jaster, Christian; Peiffer, Henrike
Motive für Mitarbeiterzufriedenheit
Auf Basis einer wissenschaftlichen Analyse wurden in dem Projekt MotivSORT zunächst berufsrelevante Motive der Mitarbeitenden im Handwerk identifizieren und in 15 Motivkarten, die vier Motivklassen zugeordnet wurden, strukturiert. Hier die entsprechende Auflistung:
Arbeitsinhalte
- Eigener Kundenkontakt
- Eigenverantwortung
- Eigenes Spezialgebiet
- Vielfalt bei der Arbeit
Betriebliches Miteinander
- Kollegialität
- Familiäre Atmosphäre
Rahmenbedingungen
- Bezahlung
- Bonusleistungen
- Arbeitswege
- Arbeitszeit
- Ruf der Firma
- Sicherheit und Gesundheitsschutz
Lernen und Weiterentwicklung
- Fehlerumgang im Team
- Persönliches Feedback
- Persönliche Weiterbildung
Modifikation der Motiv-Struktur
Ohne, dass ich tiefer in die wissenschaftliche Begründung der Motivklassen und Motive einsteigen will, und ohne, dass ich die genaue Beschreibung der Motive auf den Motivkarten analysiert habe, halte ich diese mit Blick auf meine Erfahrungen aus der Beratung der Handwerksunternehmen und deren Mitarbeiter für grundsätzlich nachvollziehbar.
Mir fehlt auf den ersten Blick noch ein Aspekt, den ich für ein relevantes Motiv der Mitarbeiterzufriedenheit in der Motivklasse Rahmenbedingungen halte. Nämlich die Arbeitsplatzsicherheit.
Um im Weiteren mit dem Instrument dennoch effizient weiterarbeiten zu können, würde ich die Motive Bezahlung und Bonuszahlungen zusammenfassen, so dass es insgesamt bei 15 Motiven in vier Motivklassen bleibt.
Bedeutung und Erfüllung
Die Zahl der Motivkarten gewinnt im nächsten Schritt des Instrumentes MotivSORT eine besondere Bedeutung:
Die mit den Motiven verbundenen arbeitsbezogenen Inhalte und Verhaltensweisen werden (…) von den Mitarbeitenden nach individueller Wichtigkeit (…) auf einem Kontinuum angeordnet. Durch die Verteilung mit Quotenvorgabe (…) können individuelle Motive relativ angeordnet werden.
Ellwart, Thomas; Jaster, Christian; Peiffer, Henrike
Es ist somit Aufgabe des Mitarbeiters zu Beginn des Gespräches, die 15 Motivkarten nach dem Muster einer Gaußschen Normalverteilungskurve von „völlig unwichtig“ bis „ganz besonders wichtig“ zu sortieren. Daraus ergibt sich dann folgendes Bild:
In einem zweiten Schritt geben die Mitarbeitenden für jedes der 15 Motive an, ob dies aus ihrer Sicht im Betrieb aktuell nicht erfüllt, eher nicht erfüllt, eher erfüllt oder erfüllt wird.
Das Instrument MotivSORT sieht vor, dass diese Einschätzung des Ausmaßes der Erfüllung durch unterschiedlich farbige Punkte auf den Motivkarten gekennzeichnet werden.
Modifikation der Darstellung
Aus meiner Erfahrung heraus könnte eine andere Form der Darstellung, die zugegebenermaßen mehr Platz erfordert, etwas mehr Anschaulichkeit bieten.
Die Motivkarten werden in vier Quadranten aufgeteilt. Entlang der X-Achse bleibt es bei der Verteilung mit Quotenvorgabe unter dem Aspekt der Wichtigkeit: 2 Karten im ersten Fünftel, 3 Karten im zweiten Fünftel, 5 Karten im dritten Fünftel, 3 Karten im vierten Fünftel und 2 Karten im fünften Fünftel.
Anstelle der Punkte Zuordnung auf den einzelnen Motivkarten, wie im Ursprungsmodell vorgesehen, verschiebt der Mitarbeiter nun aber die einzelnen Motivkarten im zweiten Schritt entlang der Y-Achse von unten (nicht erfüllt) nach oben (erfüllt).
Ergebnisse als Grundlage des Mitarbeitergespräches
Auf einer individuellen Ebene erhält die Führungskraft somit eine schnelle Übersicht über die Motivlage des Mitarbeiters.
In dem auf dieser Übersicht aufbauenden Mitarbeitergespräch lassen sich dialogisch die Prioritäten für die weitere Verbesserung der Zusammenarbeit bestimmen.
Nutzen des Instrumentes
Insgesamt kann ich mir nach einer ersten Sichtung des Instrumentes und mit den von mir vorgeschlagenen Modifikationen sehr gut vorstellen, dass es mit Hilfe von MotivSORT gelingen kann, wesentliche Fehler von jährlichen Mitarbeitergesprächen zu vermeiden.
Insbesondere, wenn dieses Instrument in Unternehmen mit einer guten Austausch- und Feedbackkultur zur systematischen Unterstützung der Gespräche eingesetzt wird, kann eine nachhaltige Wirkung erzielt werden.
Vor allem, da erste Untersuchungen zur Nutzung des Instruementes ergeben haben, dass die Methodik von 98% der befragten Mitarbeiter als hilfreich, nützlich, praktikabel und verständlich eingestuft wird – und dies unabhängig davon, ob sie in ihrem Job besonders zufrieden oder unzufrieden waren.
Wo erfahre ich mehr?
Claudia Steil ist Betriebsberaterin bei der Handwerkskammer Trier und berät in dieser Funktion Handwerksunternehmen insbesondere zu Fragen der Organisation und des Personals. Sie setzt MotivSORT, das inzwischen Flächendeckend in Rheinland-Pfalz erprobt und weiterentwickelt wird, regelmäßig in ihren Beratungen ein.
Wer mehr über das Instrument erfahren möchte hat dazu u. a. Gelegenheit in entsprechenden Webinaren der Handwerkskammer Trier.