Vor ziemlich genau zehn Jahren, im Januar 2009 habe ich meine Dissertation an der Universität zu Köln erfolgreich abgeschlossen. Der Titel meiner Doktorarbeit lautet:
Berufsbildungsberatung – Begründung und Präzisierung eines handwerksspezifischen Konzeptes
Dr. Michael Hoffschroer
Im Kern geht es bei der Arbeit um die Frage, ob die Berufsbildungszentren des Handwerks in der Lage sind, Berufsbildungsberatung erfolgreich anzubieten und durchzuführen.
Quasi aus Anlass des 10jährigen Jubiläums habe ich mir meine Promotion jetzt nochmal etwas näher angeschaut und dabei festgestellt, dass die…
Herausforderungen weiterhin relevant
… sind und das Thema bis heute nichts an Aktualität verloren hat. Denn sowohl die Hintergründe im Berufsbildungssystem, am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt als auch in den Berufsbildungszentren haben sich eher noch verschärft als verbessert.
Wie vor zehn Jahren steigt die Komplexität des Bildungssystems an: Immer mehr Bildungsgänge, mehr Bildungsanbieter, neue Vermittlungsformen sind nur einige Stichworte hierzu.
Die Ziele arbeitsmarktlicher Verwertbarkeit, Persönlichkeitsbildung und rechtlichem Anspruch im Sinne von Zugangsberechtigungen zu bestimmten reglementierten Berufen stehen im Berufsbildungssystem immer noch in einem starken Spannungsverhältnis.
Der gleichzeitige Mangel an Ausbildungsplätzen z. B. für Geringqualifizierte und an qualifizierten Fachkräften in einer zunehmenden Zahl von Engpassberufen, stellt das System immer stärker vor Herausforderungen.
Weiterhin wird eine Neustrukturierung und Modularisierung der dualen Ausbildung nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer stärkeren Europäisierung und Differenzierung von Bildungsabschlüssen diskutiert.
Auch die fachlich-inhaltlichen Anforderungen im Berufsleben wachsen bis heute. Die Diskussion zur Zukunft der handwerksnahen Bildungsträger haben nicht nachgelassen.
Und ebenso sprechen die politischen Forderungen auf europäischer, nationaler, regionaler und verbandspolitischer Ebene für eine zunehmende Bedeutung der Berufsbildungsberatung.
Unsicherheiten durch Beratung auffangen
All diese Herausforderungen gehen insgesamt mit einem wachsenden Unsicherheitsgefühl der Akteure im Berufsbildungssystem einher. Schüler, Eltern, Lehrer und andere Beteiligten fragen Berufsbildungsberatung stärker nach.
Gleichzeitig hat sich die Dynamik auf dem Berufsbildungsberatungsmarkt verstärkt. Immer mehr Berater bieten ihre entsprechende Dienstleistungen an – Kommerzielle und Nicht-Kommerzielle, Ehren- und Hauptamtliche, Schulische und Außerschulische, Private und Behördliche sowie viele Andere.
Da kann man schnell den Überblick verlieren, oder?
Fundament für Berufsbildungsberatung erstellt
Der Bedeutung der Berufsbildungsberatung und der Vielfalt der Berufsbildungsberatungsangebote standen dabei vor zehn Jahren kein adäquates theoretisches Fundament entgegen.
In meiner Arbeit habe ich seinerzeit die Berufsbildungsberatung unter besonderer Berücksichtigung einer wirtschaftspädagogischen und handwerksbezogenen Perspektive untersucht. Dabei konnte ich Hintergründe aufzeigen, Positionen analysieren und ausgewählte Aspekte einer eigenen Konzeption für eine Berufsbildungsberatung im deutschen Handwerk präzisieren.
Zunächst wurden schwerpunktmäßig Begriffe, Bezugspunkte und Ansätze zu diesen Komponenten des Untersuchungsgegenstandes aufgezeigt: Beruf, Bildung, Berufsbildung, Beratung, Berufsbildungsberatung und Handwerk.
Anschließend wurden Daten, Befunde und politische Positionen zur Veränderung der sozio-ökonomischen Lebensbedingungen, zur Berufsbildungsberatung und zu politischen Diskussionen der Berufsbildungsberatung dargestellt.
Auf Grundlage dieser Ausführungen erfolgten Präzisierungen zu einem eigenen Berufsbildungsberatungskonzept, die die besondere wirtschaftspädagogische und handwerksbezogene Perspektive dieser Arbeit aufgriffen. Im Mittelpunkt der konzeptionellen Präzisierung stand dabei die makrodidaktische Ebene bzw. die aufgabenbezogene Umwelt der Berufsbildungsberatung. Dabei wurden vor allem betriebswirtschaftliche und pädagogische Beratungsansätze aufgegriffen und erkenntnisinteressengeleitet pragmatische Modelle zur Umsetzung von Berufsbildungsberatung entwickelt. Hierzu wurden insbesondere folgende Aspekte dargestellt:
- System der Berufsbildungsberatung
- Berufsbildungsberatung im Spannungsfeld von Lehr-Lernprozess- und Dienstleistungsorientierung
- Grundsätze eines Kompetenzmodells der Berufsbildungsberatung
- Ziele von Berufsbildungsberatung
- Qualitätsmerkmale der Berufsbildungsberatung
- Handwerkliche Bildungszentren – Anbieter von Berufsbildungsberatung
Mehr zu diesen einzelnen Punkte werden sicherlich in loser Folge in diesem Blog erscheinen.
Die Antwort auf meine Ausgangsfrage
Bereits vor zehn Jahren war ich der Ansicht, dass die spezifischen Rahmenbedingungen der handwerklichen Bildungsträger dazu geeignet sind, die notwendigen Qualitätsmerkmale im Sinner einer wirksamen Berufsbildungsberatung umzusetzen.
Inzwischen leite ich seit gut acht Jahren ein solches Bildungszentrum und aus meiner Ansicht ist eine Erkenntnis geworden: Berufsbildungsberatung und handwerkliche Bildungsstätten sind eine ideale Kombination!
Dr. Michael Hoffschroer
Im Bildungszentrum der Kreishandwerkerschaft Cloppenburg setzen wir sehr erfolgreich eine lebensphasenorientiertes Berufsbildungsberatungsmodell um. Von der frühkindlichen Bildung, über die schulische Berufsorientierung bis zur Ausbildungsberatung und Karriereberatung reicht unser Angebot. Es richtet sich an Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
Alles in allem haben wir sicherlich zwischen 2.500 und 3.000 Berufsbildungsberatungen zzgl. unzähliger Berufsinformationsveranstaltungen in den letzten acht Jahren durchgeführt.
Es ist ein richtig tolles Gefühl, wenn ich heute also mit Fug und Recht behaupte, dass sich die vier Jahre, die ich in die Erstellung der Doktorarbeit gesteckt habe, gelohnt haben. Nicht nur für mich persönlich, sondern auch für die Kreishandwerkerschaft Cloppenburg und vor allem für die zahlreichen jungen Handwerkerker und die vielen Handwerksunternehmer, die wir beraten haben.
Und jetzt lohnt sich die Arbeit ja ggf. auch für Dich und Dein handwerkliches Bildungszentrum, wenn Du meine Ideen dort anwendest. Nimm gern Kontakt zu mir auf, wenn Fragen offen sind.
Die Arbeit ist veröffentlicht auf dem Kölner UniversitätPuplikationsServer: https://kups.ub.uni-koeln.de/2657/
Es ist außerdem erschienen im Südwestdeutschen Verlag für Hochschulschriften und somit im Buchhandel (ISBN-10: 3838106075 / ISBN-13: 978-3838106076) erhältlich.
2 Kommentare