Erfahre, wieso Du Dich als Chef immer auf das Undenkbare vorbereiten solltest und warum ich deshalb meine eigenen Pläne nach einer schweren Sportverletzung über den Haufen geschmissen habe.
Und plötzlich fällst Du aus
Vor ein paar Wochen hat es mich erwischt. Beim gemeinsamen Betriebssport mit ein paar Kollegen verletzte ich mich. Und auch wenn mir nicht gleich klar war, worin die Verletzung bestand, war mir doch sofort bewusst, dass es keine Kleinigkeit war.
Bis zur Untersuchung beim Arzt am nächsten Tag hatte ich noch die Hoffnung, dass ich vielleicht mit einem kurzen Ausfall davonkomme. Doch schnell wurde dann klar, dass ich mit einem Archillessehnenriss für mehrere Wochen ausfallen und noch für längere Zeit erheblich in meiner Mobilität eingeschränkt sein würde.
Jetzt galt es also die Kreishandwerkerschaft Cloppenburg von Krankenbett aus am Laufen zu halten. Oder?
Der Zeitpunkt passt nie
Zum Glück fingen in Niedersachsen gerade die Sommerferien an. Eine Zeit, die bei uns traditionell etwas ruhiger ist. Außerdem war mein Terminkalender für die nächsten Wochen dank Corona-Pandemie und geplantem Urlaub relativ leer.
Andererseits waren auch einige Kollegen aus dem Führungsteam gerade im Urlaub oder standen kurz davor ihren Jahresurlaub anzutreten. Und es mussten z. B. noch die letzten Sommer-Gesellenprüfungen zu Ende gebracht und die virtuelle Freisprechung final organisiert werden. Ansonsten hatte ich mir selbstverständlich einige Projekte mit eher strategischer Ausrichtung in die ruhige Sommerphase gelegt.
Sei glücklich, wenn Du noch denken kannst
Während ich von Dritten laufend nette Genesungswünsche oder auch kluge Ratschläge bzgl. Sport im Alter entgegennehmen durfte und alle sich mit tatsächlicher Fürsorge über mein Wohlergehen erkundigten – zum Glück hatte ich keine besonders starken Schmerzen – war ich eher mit organisatorischen und logistischen Fragestellungen befasst.
Kurz habe ich tatsächlich darüber nachgedacht, wie ich mit Unterstützung von meiner Frau und von Kollegen, doch meine Arbeit im Haus des Handwerks sofort wieder aufnehmen könne. Irgendwie hätte das ggf. sogar funktionieren können.
Doch dann kam es zu einer Situation, die mich alle meine Pläne über den Haufen schmeißen ließ.
Dr. Michael Hoffschroer
Vertraue Deinem Team
Bei einem Chat auf Instagram über meinen Blogbeitrag „Ich bin Chef, ich weiß das nicht!“ schrieb mein Gegenüber, dass für die dort zum Ausdruck gebrachte Haltung viel Vertrauen und Mut erforderlich sei. „Ja, das funktioniert nur, wenn Du Deinen Leuten zutraust, besser zu sein, als Du selbst“ schrieb ich zurück.
Und kaum hatte ich das geschrieben, fiel es mir wie Schuppen von den Augen, genau das war es, was ich zu tun hatte: Meinem Team zutrauen, dass sie es besser machen als ich selbst.
Exakt darauf hatte ich doch die letzten Jahre hingearbeitet. Unter meiner Federführung hatten wir neue Organisationsstrukturen geschaffen, Verantwortlichkeiten zugeordnet, Kolleginnen und Kollegen neu eingestellt, Verfahrensanweisungen und Stellvertreterregelungen eingeführt, Möglichkeiten zur Heimarbeit geschaffen, einen Notfall-Ordner angelegt, und und und.
Mir wurde bewusst, dass wenn ich trotz meiner schweren Verletzung am nächsten Tag wieder auf die Arbeit gehen würde, ich all diese Entscheidungen ad absurdum führen würde.
Noch schlimmer, ich würde den Kollegen und Kolleginnen, die laut unseren Absprachen jetzt Verantwortung übernehmen sollten, vor den Kopf stoßen und mein Misstrauen signalisieren.
Dr. Michael Hoffschroer
Wollte ich das, nur um mich gebraucht zu fühlen? Nein!
Vertraue Dir selbst
Ich beschloss, meinem eigenen Rat zu folgen und mich darauf zu konzentrieren, möglichst schnell wieder fit zu werden. Die Arbeit würde von meinem Team bestmöglich erledigt werden.
Dabei kam mir in der ersten Phase sicherlich zugute, dass ich wusste, dass ich im Notfall weiterhin ansprechbar blieb. Außerdem habe ich für mich rasch entschieden, dass die (gedankliche) Arbeit an den strategischen Projekten von mir auch tatsächlich vom Krankenbett erfolgen konnte.
Aus der operativen Arbeit hielt ich mich soweit raus, kümmerte mich um meine Gesundheit und nutze die lange Zeit der Immobilität für die Arbeit an neuen Ideen und zur Netzwerkpflege über die sozialen Medien.
Noch ist diese Phase nicht vorbei und ich merke, dass ich auch noch lange nicht zu 100 Prozent mit der Umsetzung zufrieden bin.
Nutze die Chancen, immer besser zu werden
Das ein oder andere Telefonat mit dem Büro führte und führe ich auch jetzt noch und ertappe mich im Nachhinein dabei, dass ich denke, dass hätte der Kollege oder die Kollegin auch ohne meinen Hinweis geschafft.
Diese Telefonate passieren vor allem dann, wenn ich bei den Temperaturen gerade keine Lust habe, mein selbstverordnetes Fitnessprogramm (ja, den Oberkörper kann man auch bei einem Archillessehnenriss durchaus trainieren) durchzuziehen oder wenn die Kinder gerade ein bisschen anstrengend sind.
Ich merke aber auch, dass mit jedem Tag, an dem – wie erhofft und auch erwartet – keine negativen Rückmeldungen aus unserem Mitglieder- und Kundenkreis, aus dem Büro kommen, meine Freude, mein Stolz, mein Mut und Vertrauen wachsen.
Freude, Stolz, Mut und Vertrauen
Nicht nur Freude, Stolz, Mut und Vertrauen in Bezug auf mein Team bei der Kreishandwerkerschaft Cloppenburg, die den Laden eben auch ohne meine Anwesenheit am Laufen halten, sondern auch Freude, Stolz, Mut und Vertrauen in Bezug auf mich selber.
Denn erst in solchen Krisensituationen zeigt sich, ob die Entscheidungen, die Du als Chef unter Unsicherheit und mit der Hoffnung, dass die Krise nie eintritt, getroffen hast, richtig waren.
Dr. Michael Hoffschroer
Zumindest im Groben und Ganzen habe ich wohl nicht daneben gelegen.
Foto von Andrea Piacquadio und Vidal Balielo Jr. von Pexels