In den Jahren 2003 – 2005 schaffte die damalige rot-grüne Bundesregierung mit der Novelle der Handwerksordnung die Meisterpflicht für über 50 Handwerke ab. Eine fatal Entscheidung, durch die faktisch keins der damaligen Ziele wirklich erreicht werden konnte.
Eine politische Erklärung als Signal für Qualität und Qualifikation im Handwerk
Anfang September 2019 haben nun Vertreter der CDU und SPD gemeinsam eine Erklärung abgegeben, die im wesentlichen die Wiedereinführung der Meisterpflicht in 12 Handwerksberufen beinhaltet.
„Wir sind davon überzeugt, dass der Meisterbrief im deutschen Handwerk die beste Garantie für Qualitätsarbeit, Verbraucherschutz, Leistungsfähigkeit und Innovationskraft liefert.
Erklärung des stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Carsten Linnemann, und des stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Sören Bartol zur geplanten Änderung der Handwerksordnung.
Die Meisterpflicht trägt außerdem durch eine hochwertige berufliche Aus- und Weiterbildung auch maßgeblich zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses bei. Unser Ziel ist, mehr Qualität für die Kundschaft und mehr Nachwuchs im Handwerk durch eine bessere Ausbildung.
Entscheidend für die Einführung der Meisterpflicht ist, ob es sich um gefahrgeneigte Handwerke handelt, deren unsachgemäße Ausübung eine Gefahr für Leben und Gesundheit bedeutet. Außerdem sollen solche Handwerke berücksichtigt werden, die vom Kulturgüterschutz erfasst werden oder als immaterielles Kulturgut anzusehen sind.“
Damit biegt ein langer Weg durch die Instanzen, den unter anderem Stefan Bohlken, Obermeister der Fliesen- und Natursteinleger-Innung, Oldenburg prominent gegangen ist, auf die Zielgrade ein.
Fragen und Antworten zur Wiedereinführung der Meisterpflicht
Eine gute Zusammenfassung wichtiger Fragen und Antworten zur Wiedereinführung der Meisterpflicht findet ihr auf der Internetseite der Deutschen Handwerks Zeitung.
Die Argumente zum Pro und Contra der Wiedereinführung sind in der Anhörung des Deutschen Bundestages gut nachzuvollziehen.
Cloppenburger Handwerk begrüßt Entwicklung
Bereits vor fünf Jahren hat die Mitgliederversammlung der Kreishandwerkerschaft Cloppenburg sich einstimmig mit einer Resolution der Kampagne JA ZUM MEISTER angeschlossen und damit die Wiedereinführung der Meisterpflicht in aktuell zulassungsfreien Handwerken gefordert. Darin heißt es u. a.:
„Das deutsche Handwerk hat ein Instrument für mehr Ausbildung, weniger Jugendarbeitslosigkeit und höhere Wettbewerbsfähigkeit: den Meisterbrief. Er ist Vorbild für Europa.“
Resolution der Delegiertenversammlung der Kreishandwerkerschaft Cloppenburg
aus dem Jahr 2014
Gemeinsam mit dem Präsidenten des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Hans Peter Wollseifer, begrüßen die Vertreter des Cloppenburger Handwerks nun die gemeinsame Erklärung der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD als ein starkes Signal für Qualität und Qualifikation im Handwerk. Zukunftssicherung und nachhaltige Unternehmensentwicklung im Handwerk werden so auf einer breiteren Basis möglich.
Erfreut sind wir auch darüber, dass die angekündigte Korrektur der Fehlentwicklungen der Handwerksrechtsnovelle von 2004
- weniger Auszubildende,
- weniger Fachkräfte,
- weniger Qualität,
- schneller vom Markt verschwindende Betriebe und
- infolge dessen ein geringerer Gewährleistungs- und Verbraucherschutz
auch mit Hilfe aus unserer Region gelingen konnte.
Darüber hinaus müssen die nunmehr verbleibenden zulassungsfreien Handwerke die gleichen Möglichkeiten zur Weiterentwicklung haben wie Handwerke mit Meisterpflicht. Hierzu gehört nicht zuletzt die verstärkte Förderung von Aus- und Weiterbildung sowie die Option einer zukünftigen Einstufung als zulassungspflichtiges Handwerk.
Auch deshalb begrüße ich eine Aktion an der sich auch der Kreishandwerksmeister aus dem Ammerland, Andreas Speckmann, beteiligt hat:
Wiedereinführung ist Auftrag an das Handwerk
Doch die Wiedereinführung der Meisterpflicht ist sicherlich nur ein Zwischenschritt, der für sich genommen, nicht die erwünschte Wirkung zeigen wird.
So schreibt Jörg Mosler, einer der populärsten Experten für die Mitarbeitergewinnung im Handwerk, auf seiner Facebook-Seite nicht ganz zu Unrecht:
„Diese Wiedereinführung sollte nicht nur als Erfolg verbucht werden, sondern auch als AUFTRAG…
Jörg Mosler – Mitarbeitergewinnung im Handwerk
Als Auftrag, den Meisterbrief zu reformieren. Der Meister sollte nicht der bestbezahlte Facharbeiter im Unternehmen sein, sondern ein Unternehmer!!“
Meisterprüfung ist Unternehmerbildung
Doch bereits Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre haben wir im Forschungsinstitut für Berufsbildung im Handwerk an der Universität zu Köln (FBH) genau diesen Schritt hin zur Unternehmerbildung grundgelegt.
Die Meisterprüfungsverordnungen unterscheiden sich seither wesentlich mit Blick auf Inhalte, Methoden und Bestehensregelungen von ihren Vorgängern. Die Fachkompetenz ist zugunsten einer ganzheitlichen Unternehmerkompetenz in den Hintergrund gerückt. Nachzulesen ist dies z. B. in den Vorbemerkungen zum Rahmenlehrplan für die Vorbereitung auf Teil III der Meisterprüfung im Handwerk von Markus Glasl und Andrea Greilinger vom Ludwig–Fröhler–Institut.
Und mit der Überarbeitung des Strukturentwurfes für die Meisterprüfungsverordnungen und der neuen Verordnung über die Meisterprüfung in den Teilen III und IV im Handwerk und in handwerksähnlichen Gewerben (Allgemeine Meisterprüfungsverordnung – AMVO) in den 2010er Jahren wurde diese Neuausrichtung nochmals deutlich verstärkt und um Differenzierungen bezüglich unterschiedlicher Gewerbetypen ergänzt. Die Orientierung an betrieblichen Prozessen und dem Auftragsabwicklungsmodell sind seither Leitgedanke der Meisterprüfungsstrukturen.
Der wissenschaftliche und rechtliche Rahmen, um den von Jörg Mosler und anderen zurecht angemahnten Schritt zu gehen, existiert demnach schon lange.
Verpflichtende Gesellenjahre – populär aber wenig zielführend
In den weiteren Reaktionen auf den Facebook-Post von Jörg Mosler fordern einige Handwerkerinnen und Handwerker die Wiedereinführung verpflichtender Gesellenjahre vor der Zulassung zur Meisterprüfung. Eine Forderung, die ich auch in anderen Zusammenhängen immer wieder höre und die mich regelmäßig NICHT überzeugt.
Zumal die Rechtsprechung zu Artikel 12 unseres Grundgesetzes diese weitergehende Einschränkung der Berufsfreiheit nach der Dreistufentheorie nicht zulassen wird. Auch die Diskussionen und Begründungen der Meisterpflicht auf europäischer Ebene und die Debatte um die Erfordernis alternativer Zugangswege (Altgesellenregelung nach §7b Handwerksordnung, Ausnahmegenehmigungen nach §8 Handwerksordnung) machen deutlich, dass die Forderung nach verpflichtenden Gesellenjahren keine Chance auf Umsetzung haben wird.
Wichtiger ist aber, dass ich darüber hinaus glaube, dass „Zeit“ nicht der richtige Maßstab für das ist, was mit der Forderung nach verbindlichen Gesellenjahren eigentlich verbunden wird. Geht es nicht vielmehr um Persönlichkeit, um Vermittlungskompetenz, um Praxiswissen und soziale Kompetenz? Steckt hinter der Forderung nicht ein anderes Ziel: Der Nachweis von Berufserfahrung, Entscheidungskompetenz und persönlicher Reife?
Und wir sind uns vielleicht auch einig, dass all diese Punkte nicht unbedingt eine Frage des Alters sind? Kennen wir nicht ggf. auch den einen oder die andere jüngere Handwerkerin, die alles mitbringt, um bereits unmittelbar nach der Gesellenprüfung weitere Verantwortung übernehmen zu können? Wieso sollten wir ihr den Weg verbauen?
Verpflichtung für unsere Vorbereitungskurse und Meisterprüfungsausschüsse
Leider sind die o. g. Kriterien alles Punkte, die von vielen Anbietern der Vorbereitungskurse und Meisterprüfungskommissionen – selbst bei vorhandenen Anknüpfungspunkten in den Prüfungsordnungen – nicht aufgegriffen oder abgeprüft werden. Zumindest nicht mit der gleichen Konsequenz wie die (vermeintliche) Fachkompetenz.
Das Problem, dass wir zurzeit beim Zugang zur Meisterprüfung und damit auch bei denjenigen, die diese Prüfung bestehen keine „Bestenauswahl“ erleben, sollten wir insofern selber, also handwerksintern lösen. Zum Beispiel in dem Meisterprüfungskommissionen ihre Befugnisse auch in dieser Hinsicht ausschöpfen.
Gerade handlungsorientierte Prüfungsmethoden, wie das Fachgespräch und fallorientierte Aufgaben bieten die Möglichkeiten Vermittlungskompetenz, Praxiswissen, Entscheidungskompetenz, soziale Kompetenz und persönlicher Reife abzuprüfen.
Wenn Prüfungskommissionen davor zurückscheuen, diese Dinge zu bewerten oder objektiv ungeeignete Kandidaten durchfallen zu lassen, darf ich am Ende nicht die Politik oder das Gesetz dafür verantwortlich machen.
Wenn selbst von den Handwerksorganisationen angebotene Vorbereitungslehrgänge eher auf zeitsparende Vorbereitung und rein prüfungsbezogene Schulung ausgerichtet sind, als auf die nachhaltige Vermittlung von Kompetenzen und Werten, sollten wir uns intern mit dem Problemen befassen, statt Politiker zum Handeln aufzufordern.
Wenn wir uns in den Bildungseinrichtungen des Handwerks in Abhängigkeit von zahlenden Meisterschülern begeben, die wir am Ende faktisch gar nicht durchfallen lassen können, weil damit unsere Marktpositionierung in Frage gestellt wird, ist unser System falsch und nicht die Politik.
Qualität setzt sich in zweierlei Hinsicht durch
Auch deshalb haben wir uns bei unserer Handwerkskammer in Oldenburg dafür stark gemacht, dass eine weitestgehende personelle Trennung von Dozenten und Prüfern gegeben ist. Außerdem setzen wir die integrierte, handlungsorientierte Vermittlung der Inhalte in den Teilen 3 (betriebswirtschaftliche, kaufmännische und rechtliche Themen) und 4 (berufs- und arbeitspädagogische Themen) konsequent um. Die Dauer unserer Kurse orientieren sich an den empfohlenen Rahmenlehrplänen.
Diese Qualitätsorientierung verhindert ab und zu, dass wir wirtschaftlich noch erfolgreicher unterwegs sind, aber wir glauben, dass diese Strategie sich in zweierlei Hinsicht durchsetzt:
- Der Meisterschüler profitiert langfristig von der nachhaltig erworbenen Kompetenz und ihren objektiven Nachweis.
- Als Bildungsträger profitieren wir von einer Nachfrage von Teilnehmern, die unser Qualitätsverständnis teilen und nicht mit falschen Hoffnungen bei uns auftauchen.
Diese Win-Win-Situation ist Leitbild unserer Angebotes im Cloppenburger Haus des Handwerks. Mein Kollege Anjo Buschmeier berät Dich gern umfassend bei allen Fragen zu Deiner Meisterprüfung. Seine Kontaktdaten findest Du ebenfalls auf unserer Homepage.
Vielen Dank für den interessanten Blog – Hier ein Artikel aus dem Handelsblatt, der meine Meinung wiedergibt
Das Handwerk freut sich über die geplante Wiedereinführung der Meisterpflicht in zwölf Gewerken. Erleichterung und Freude überwiegt bei den Vertretern der Berufe, die im kommenden Jahr in die Anlage A der Handwerksordnung (HWO) zurückkehren sollen. Keinen Grund zur Freude gibt es bei den Gold- und Silberschmieden: „Wir sind enttäuscht, dass es nicht auch für unser Gewerk eine Rückkehr zur Meisterpflicht geben soll“, sagt Horst Teuscher. Der Geschäftsstellenleiter des Zentralverbands der Deutschen Goldschmiede, Silberschmiede und Juweliere kann nicht verstehen, dass die Prämissen, die für die von der Politik bestimmten zwölf Gewerke gelten, nicht auch für das Gold- und Silberschmiedehandwerk gelten sollen.
Zitat: „Wir sind enttäuscht, dass es nicht auch für unser Gewerk eine Rückkehr zur Meisterpflicht geben soll.“ (Horst Teuscher, Geschäftsstellenleiter Zentralverband der Deutschen Goldschmiede, Silberschmiede und Juweliere) Es sollen Berufe berücksichtigt werden, „die vom Kulturgüterschutz erfasst werden oder als immaterielles Kulturgut anzusehen sind“, stellten die Abgeordneten Carsten Linnemann (CDU) und Sören Bartol (SPD) in ihrer Ankündigung für die Handwerksreform klar. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass unser Handwerk nicht unter dem Aspekt des Kulturgüterschutzes in die Anlage A überführt wird“, so Teuscher. Auch das zweite entscheidende Kriterium sei darin relevant: die Gefahrengeneigtheit. Gefahren gebe es genug, sowohl für die Kunden (mögliche Unverträglichkeiten bestimmter Materialien) als auch bei den Goldschmiedearbeiten (Umgang mit Gefahrstoffen wie Cyanide oder Flusssäure).
Rechtssichere Antwort gefordert!
In Briefen an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und an den Ministerialrat Joachim Garrecht, Leiter des Referates Handwerk, Industrie- und Handelskammern im Wirtschaftsministerium, machte der Zentralverband seinem Ärger Luft. „Mit großer Enttäuschung haben wir, die Gold- und Silberschmiede der Bundesrepublik Deutschland, zur Kenntnis nehmen müssen, dass der Gold- und Silberschmied nicht wieder in die Anlage A der HWO aufgenommen werden soll. Dies können wir und unsere Mitglieder nicht nachvollziehen“, heißt es in dem Schreiben.
Die Begründung, dass die Gefahrengeneigtheit nicht groß genug sei, lasse der Verband nicht gelten. „Müssen wir erst Tote oder schwere Körperschäden aus unsachgemäßer Ausübung unseres Handwerks nachweisen?“, fragt der Verband. Und über die kulturhistorischen Aspekte des Gold- und Silberschmiedehandwerks müsse man ja auch nicht diskutieren. Der Verband forderte eine Begründung und eine rechtssichere, detaillierte und gerichtlich nachvollziehbare Antwort. Daraufhin gab das Wirtschaftsministerium dem Verband erneut die Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben.
Auswahl nicht nach gleichen Kriterien
Die Auswahl der Berufe im Gesetzesvorschlag sei unvollständig und nicht nach gleichen Kriterien erfolgt, kritisiert der Zentralverband. Es sei nicht ersichtlich, warum das Gewerk nicht als gefahrengeneigt eingestuft werde und auch nicht unter den Aspekt des Kulturgüterschutzes falle. Schließlich sei das Handwerk weit über 4.000 Jahre alt: „Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich das Gold- und Silberschmiedehandwerk zu einem breitgefächerten Handwerk, das hochkomplexe, einzigartige Kulturgüter herstellte und immer noch herstellt“, stellt der Verband klar. Durch das Können und das fachliche Wissen der Schmiede bliebe Jahrhunderte altes Kulturgut erhalten. Die Abschließende Forderung: die zwingende Aufnahme das Gold- und Silberschmiedehandwerks in die Anlage A der HWO. Die Entschlossenheit ist groß: Bei der Herbsttagung des Zentralverbands Ende September beauftragten die Mitglieder das Präsidium einstimmig, alle weiteren erforderlichen und notwendigen Schritte bis zu einer möglichen Klage einzuleiten.
Text: Lars Otten / handwerksblatt.de