Lichtblicke trotz Drogen, Gangkriminalität und HIV
Warum reist man für eine Woche aus dem winterlichen Oldenburger Münsterland ins sommerliche Kapstadt, Südafrika?
Es gibt sicherlich viele gute Gründe aber uns interessierten diesmal vor allem die Projekte des Freundeskreises Wakkerstroom e. V.
Auf Initiative meines Lions-Freundes Dr. Clemens Schwerdtfeger haben wir uns Ende Februar 2019 auf den Weg gemacht, um uns vor Ort ein Bild davon zu machen, was auch mit starker Unterstützung aus unserer Region in und um Kapstadt ins Leben gerufen werden konnte.
In einer dreiteiligen Blog-Serie werde ich Euch berichten über
- meine Erwartungen, die ich mit der Reise verbunden habe und wie ich zum Opfer meiner Vorurteile wurde
- über unsere Besuche in den Townships rund um Kapstadt und welchen tollen Menschen wir dort begegnet sind
- über die Wunder-Schule, eine Berufsbildungsprojekt im ländlichen Robertson, von dem wir in Deutschland einiges lernen können.
In den Townships
Montagsmorgens nach dem Frühstück in unserem wunderbaren BnB „Southern Comfort“ in Oranjezicht, direkt am Fuß des Tafelberges fuhren wir nach Khayelitsha (übersetzt: Unser neues Haus). Mit geschätzten 1,5 Mio. Einwohnern das größte Township am Kap und rund dreimal so einwohnerstark wie Kapstadt.
Der Mann vor Ort
Dort trafen wir uns mit Marco Spalke, einem Cloppenburger, der vor einigen Jahren mit seiner Familie nach Südafrika ausgewandert ist, um hier soziale Missionsarbeit zu leisten.
Er ist der Mann vor Ort, der mit seinen Ideen, seinem Engagement und seiner Überzeugungskraft maßgeblich dazu beiträgt, dass der Freundeskreis Wakkerstrom hier in Südafrika aktiv geworden ist und es wohl auch noch eine ganze Zeit bleibt.
Marco führte uns zunächst einen kleinen Hügel auf eine Aussichtsplattform herauf, um uns die Ausmaße des Townships und seine grundsätzlichen Strukturen etwas besser vor Augen führen zu können. Er erklärte uns grob den Unterschied zwischen den drei Bevölkerungsgruppen Schwarz, Farbig und Weiß. Er berichtete von den großen Zuwanderungsströmen aus dem südlichen Afrika nach Südafrika und den damit einhergehenden Problemen, von den Mentalitätsunterschieden von Leuten aus Simbabwe und Südafrika.
Die drei großen Herausforderungen
Aber was sind die größten Herausforderungen vor denen Südafrika gerade steht?
Drei großen Epidemien sind es, unter den denen Südafrika am meisten leidet: Drogen, HIV und Bandenkriminalität!
Marco Spalke
Am Rande erzählte er dann noch, dass es am Tag zuvor mal wieder zu einem Streik in Khayelitsha gekommen sei. Was das genaue bedeute, wollte jemand aus unserer Gruppe wissen. An mehreren Stellen im Township hätten sich die Bewohner zusammengerottet, Autoreifen angesteckt und Autos mit Steinen beworfen, um der Regierung klar zu machen, dass mehr getan werden müsse, um den Bewohnern der Townships, die zu fast 50% arbeitslos seien, eine Perspektive zu ermöglichen. Ein Vorgang der für uns Deutsche mit einer ungewöhnlichen Gelassenheit berichtet wurde. Es schien wohl eine quasi übliche Form der politischen Meinungsäußerung zu sein. Insbesondere im Vorfeld der seinerzeit anstehenden Wahlen in Südafrika.
Sind wir hier sicher?
Ob unser Besuch dennoch sichern sei, wollte nun jemand wissen. Ja, die knappe Antwort.
Später erklärte Marco mir, dass über 90 Prozent der Bevölkerung im Township korrekte Leute wären.
Aber es gäbe eben auch die anderen, die aufgrund von Drogen- und Bandenkriminalität nicht berechenbar sein – auch für ihn nicht – mit diesem Risiko müsse man hier umgehen.
Insgesamt war ich tief beeindruckt von dem extremen Gegensatz von Arm und Reich, der hier herrscht. Das Bild eines Pulverfasses ging mir dabei nicht aus dem Sinn. Innerhalb des Townships stehen Wellblechhütten, neben den einfachen Häusern, die der Staat hier offensichtlich bauen lässt und den Bewohnern der Townships nach einen kriterienorientierten System zu Verfügung stellt. Und viele Townships grenzen auch an andere Wohngebiete, die auch im europäischen Maßstab nicht als sozialer Wohnungsbau gelten würden. Bei dem schnellen Wachstum, was die Townships zurzeit erleben, wird diese Situation sich wohl noch verschärfen.
Ob das auf Dauer „gut“ gehen kann?
Michael Hoffschroer
Keine einfachen Wahrheiten
Ebenso beeindruckt war ich aber auch davon, dass Marco und sein Team übereinstimmend davon berichteten, dass vor allem viele schwarze Südafrikaner nur in begrenztem Ausmaß bereit seien, selber etwas dafür zu tun, ihre Situation zu verbessern. Sie suchten die Schuld bei anderen, z.B. den Flüchtlingen aus den Nachbarstaaten oder bei der Regierung. Ihre Arbeitsmoral sei so schlecht, dass selbst südafrikanische Unternehmen sie nicht einstellen würden. Schon gar nicht, wenn z.B. gut ausgebildete, arbeitswillige und zuverlässige Simbabwer zur Verfügung stehen.
Aus der klaren Trennline zwischen Schwarz und Weiß wurde ein sehr komplexes System von Trennlinien zwischen Schwarzen, Farbigen, Weißen, Stadt- und Landbewohnern, Südafrikanern und Flüchtlingen, unterschiedlichen Gangzugehörigkeiten sowie unterschiedlichen Glaubensgruppen usw.
Mit diesem Gedanken im Kopf ließ ich mich durch Kayelisha fahren, vorbei an einer erstaunlich vielfältigen, dienstleistungsorientierten Kleinunternehmenslandschaft, einer überraschend ausgeprägten öffentlichen Infrastruktur (insb. Straßen, Strom, Mobilfunk) und mitten durch unbegreifliches Elend, Müll und Andersartigkeit.
Hoffnung in 7 De Laan
Wenig später kamen wir dann im kleinen Township 7 De Laan an, wo Marco mit seinem Verein HOSA (Hope South Africa) sein aktuelles Projekt betreibt.
Direkt, d. h. keine zwei Meter neben den ärmlichsten Wellblechhütten hat er für rund 50 Kinder eine Preschool, eine Sozialberatungsstation, und eine Mensa mit angeschlossenem Gewächshaus eingerichtet. Rund 10 Arbeitsplätze sind hier vor allem im Kontext der Betreuung und Förderung von 50 kleinen Kindern aus dieser von Drogen, Missbrauch, Gangkriminalität und Armut geprägten Nachbarschaft entstanden, was alleine schon ein Riesenerfolg ist.
Das viele dieser Arbeitsplätze inzwischen auch durch Menschen aus dem Township besetzt werden können, lässt diesen Erfolg weiter wachsen. Und die Begegnung mit den Handelnden vor Ort, den lebensfrohen Kindern – von denen nach Schätzungen von Marco deutlich über die Hälfte sexuellen oder anderen körperlichen Missbrauch erfahren haben – macht ihn unermesslich.
Die Nonnen von Langa
Unser Weg führte uns auch am Nachmittag in eines der Townships. In Langa (übersetzt: Sonne) besuchten wir zwei deutsche Nonnen, die seit rund 60 Jahren in Südafrika Missions- und Sozialarbeit leisten. Der Kontakt zu ihnen kam zustande, da eine der beiden alten Damen aus dem Oldenburger Münsterland stammt und mit einer unserer Mitreisenden verwandt ist.
Insofern stand hier auch eher der private Austausch im Vordergrund. Sehr spannend einen kleinen Blick auf Sichtweise der zwei Ordensfrauen auf ein sich in den letzten 60 Jahren stark veränderndes Südafrika zu erhaschen. Auch Sie beschrieben Drogen, HIV und Bandenkriminalität als die großen Herausforderungen des heutigen Südafrika.
Tief bewegt und stark beeindruckt
Ohne Naivität, ohne den kritischen Blick auf die Hintergründe und Motive sozialer Projekte zu vernachlässigen und ohne den übermäßigen Anspruch, mit einer positiven Betrachtung des Projektes, das schlechte Gewissen des gut situierten Deutschen im Angesichts des armen Afrikas im Schach halten zu können/wollen, war ich tief bewegt.
Insbesondere der Ansatz, mit ganz pragmatischen Leistungen, die die Chance haben, sich zu entwickeln, ohne gleich jedes Problem lösen zu wollen, in Zusammenarbeit mit der Bevölkerung vor Ort Dinge Schritt für Schritt in eine bessere Zukunft zu bringen, macht für mich Sinn.
Ein bisschen Entspannung
Nach dem Tag in den Townships und den Begegnungen mit den dort lebenden und arbeitenden Menschen gönnten wir uns in den nächsten Tagen auch ein bisschen Entspannung. Bei einer geführten Weintour nach Stellenbosch und Franschhoek sowie einem Besuch der Waterfront und des Malaienviertel Bo-Kaap in Kapstadt, lernten wir die schönen, entspannten und touristischen Seiten dieser eindrucksvollen Region Südafrikas kennen.
Fortsetzung folgt…
Im dritten und vorerst letzten Teil des Reiseberichts aus Südafrika erfahrt Ihr mehr über unseren Besuch in Robertson. Im ländlichen Südafrika besuchten wir eine der vielen Farmschulen, eine Highschool und eine Technische Berufsschule. Dabei begegneten wir wieder vielen interessanten und wunderbaren Leuten
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[Die dargestellten Bilder sind urheberrechtlich geschützt. Das Copyright liegt bei Dr. Michael Hoffschroer]